SPD Kornwestheim

 

Bahnhofstraße: rein-, aber nicht durchfahren

Veröffentlicht in Fraktion

Hans-Michael Gritz
Hans-Michael Gritz, Fraktionsvorsitzender im Kornwestheimer Gemeinderat

Unser Fraktionsvorsitzender Hans-Michael Gritz äußert sich im Sommerinterview mit der Kornwestheimer Zeitung zu den aktuellen kommunalpolitischen Herausforderungen.

Einige Wochen frei von Politik – das gibt’s in Berlin in diesem Jahr nicht, weil die Bundestagswahlen anstehen, und in Kornwestheim hat sich der Gemeinderat auch zu einer Sondersitzung getroffen, um über die Zukunft des Restaurants im K zu beraten. Im ersten der diesjährigen Sommerinterviews geht’s aber nicht nur darum, wer künftig im Kulturhaus auftischt, sondern auch ums Sparen, die Innenstadt und die Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft am Rande von Pattonville, die in Ludwigsburg viel Kritik hervorgerufen haben.

Herr Gritz, eigentlich war ich ja davon ausgegangen, dass wir bei den Sommerinterviews eine Bilanz der städtischen Sparbemühungen ziehen können. Dem ist nicht so, es stehen immer noch Entscheidungen aus. Sind Sie enttäuscht darüber, dass es noch nicht vorbei ist?

Nein, enttäuscht bin ich nicht. Wir haben noch über schwierige Fragen zu entscheiden, deshalb sollten wir uns die notwendige Zeit auch lassen. Zumal vor den Ferien so viele Themen auf der Tagesordnung standen, dass wir nicht die Ruhe und Zeit gehabt hätten, um mit Verantwortungsbewusstsein abzustimmen. Es stehen noch die Entscheidungen über die Vereinszuschüsse und die Mieterhöhungen für städtische Hallen und Plätze aus.

Hat Ihre Fraktion schon eine Position dazu?

Die haben wir noch nicht, weil wir zunächst einmal abwarten wollen, ob sich ein Kompromiss finden lässt zwischen den durchaus unterschiedlichen Wünschen der Kultur- und der Sportvereine. Während die Kultur großen Wert auf die Vereinszuschüsse legt, strebt der Sport eher verträgliche Hallen- und Platzmieten an.

Der Gemeinderat ist mit großem Eifer in die Spardiskussion eingestiegen und hat auch schon viele Entscheidungen getroffen. Zum Ende geht ein wenig die Luft aus. Entstehen nicht Ungerechtigkeiten dadurch, dass die einen Bevölkerungsgruppen schon betroffen sind von Erhöhungen und Streichungen, die anderen aber nicht?

Ich bin mir dessen bewusst. Aber es ist sehr schwer, in diesem Verfahren gerecht vorzugehen. Vielleicht ist es sogar unmöglich. Ich weiß von den Ungerechtigkeiten, und je länger dieser Prozess der strategischen Steuerung andauert, desto schwerer fällt es mir. Ich kenne Einzelfälle, in denen die Belastungen besonders hoch sind. Ja, es tut mir weh, und deshalb werde ich auch nicht ein Gefühl entwickeln können, dass wir diesen Sparprozess klasse hinbekommen haben.

Mit dem Wissen von heute: Was, meinen Sie, hätte man in dem ganzen Prozess anders machen können?

Wir sind mit Schwung in den Prozess reingegangen, weil wir gleich am Anfang einen großen Batzen vom Tisch kriegen wollten. Vielleicht wäre es besser gewesen, nicht gleich zu entscheiden, sondern diese Themen quasi „auf Wiedervorlage“ zu legen, alle anderen Punkte zu erörtern und am Ende einen Gesamtbeschluss zu fassen. Ich kann allerdings nicht beurteilen, ob ein solches Vorgehen durchführbar wäre. Aber es wäre möglicherweise eine Chance gewesen, diese Ungerechtigkeiten nicht entstehen zu lassen.

W & W zieht nach Kornwestheim, mit der Firma Idexx, einem Unternehmen aus der Tiermedizin, hat die Stadt einen ebenfalls lukrativ erscheinenden Steuerzahler nach Kornwestheim holen können. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Sparmaßnahmen der Stadt doch ein wenig übertrieben, oder?

Beide Firmen tätigen Investitionen, die zunächst einmal abgeschrieben werden müssen. Das heißt: Die Steuern werden nicht von Beginn an fließen. Und dass sich Idexx in Kornwestheim ansiedelt, war zu Beginn der strategischen Steuerung nicht abzusehen. Deshalb mussten wir beim Blick auf unsere Zahlen reagieren. Aber es stimmt: Langfristig gesehen stehen wir nicht schlecht da. Wenn wir das Sparziel von acht Millionen Euro nicht erreichen, dann bin ich doch so optimistisch, dass wir die Zukunft mit den Einnahmen, die dann hoffentlich kommen, bewältigen werden.

Höre ich zwischen den Zeilen heraus, dass Sie das Erreichen des Acht-Millionen-Euro-Ziels gar nicht mehr für so wichtig erachten?

Das Ziel ist vom Gemeinderat so beschlossen worden, und deshalb versuchen wir auch, diese acht Millionen Euro zu erreichen. Aber es ist gut, dass wir einen gewissen Spielraum haben und die Acht nicht zwingend vorm Komma stehen muss.

Sehnen Sie sich nach dem Zeitpunkt, in dem es im Gemeinderat nicht mehr ums Thema Sparen und strategische Steuerung geht?

Ganz klar: ja. Diese Sparrunden rauben einem unglaublich viel Kreativität, sie bremsen einen in der Entwicklung von neuen Ideen. Wir haben mit Florian Wanitschek einen jungen Mann, der sich – obgleich nicht Stadtrat – viel bei uns einbringt und engagiert in der Fraktion und in der Partei mitarbeitet. Für ihn tut es mir manchmal richtig leid, dass er kaum etwas anderes erlebt als diese Sparrunden. Es ist wichtig, dass wir davon wegkommen und normale kommunalpolitische Arbeit machen.

Eine neue Idee aus der Stadtverwaltung, um das Thema zu wechseln, ist ein Neubau am Rande von Pattonville, der vornehmlich für Flüchtlinge mit Bleibestatus vorgesehen ist. Die Stadt Ludwigsburg ist nicht begeistert, und Kornwestheim wäre es vermutlich auch nicht, würde Ludwigsburg ein ähnliches Projekt am Stadtrand planen.

Klar, wir hätten ähnlich reagiert wie Ludwigsburg es tut, aber wir hätten sicherlich nicht von einer Kriegserklärung gesprochen, wie es der Ludwigsburger OB Werner Spec getan hat. Ich habe viel Verständnis für die Kritik, insbesondere für die vom Bürgerverein Pattonville, der gute Argumente vorgebracht hat. Die andere Seite: Der Druck ist da, Unterkünfte für die Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung zu schaffen. Irgendwann sind die Möglichkeiten erschöpft, die Menschen dezentral übers Stadtgebiet verteilt unterzubringen. Wir werden Kompromisse finden müssen.

Will die SPD den Bau noch?

Mir war von Anfang an klar, dass wir den Bau so nicht durchkriegen werden. Es ist jetzt der richtige Weg, mit den Nachbarstädten zu reden, und dann sehen wir weiter. Aber klar ist auch: Wir brauchen die Plätze für die Anschlussunterbringung.

Wohnungen, nicht nur für Flüchtlinge, sind Mangelware in der Region. Trotzdem die Frage: Darf Kornwestheim sich, weil’s schon so dicht besiedelt ist, zurückziehen aus der Verantwortung, neuen Wohnraum zu schaffen?

Mit Sicherheit nicht. Bei der Schaffung von Wohnraum geht es zuvorderst darum, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zwar werden wir auch Bauland für Einfamilienhäuser zur Verfügung stellen müssen, aber damit lösen wir die Probleme nicht. Es sind auch unkonventionelle Ideen gefagt. Wir haben in der Fraktion jüngst über einen Vorschlag des Fraktionskollegen Prof. Walter Habenicht diskutiert, der in Rheinland-Pfalz das Projekt ,Gemeindeschwester plus‘ kennengelernt hat – eine in der Stadtverwaltung verankerte Kraft, die Ansprechpartnerin für ältere Leute ist. Dabei geht’s nicht um pflegerische Aufgaben, sondern um das Kontakthalten zu den Senioren, um das sich Hineinversetzen in die Menschen, um die Beratung auch in Fragen rund ums Wohnen. Wir haben das Gefühl, dass es an einer zuneigungsvollen Beratung fehlt. Wie kann man den Menschen helfen, die ein Haus haben, das ihnen zu groß geworden ist, die Wohnungen haben, die sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht vermieten? Für uns ist das eine Idee, über die es sich nachzudenken lohnt.

Nicht überall gut an kam der Beschluss des Gemeinderats, den Dienstagsmarkt nicht vom Marktplatz in die Innenstadt zu verlegen. Wäre das nicht eine gute Möglichkeit gewesen, den Holzgrundplatz zu beleben?

Es gibt gute Argumente für eine Verlegung, aber auch für den Status quo. Wir haben uns für letzteres entschieden, unter anderem deshalb, weil wir ein Einkaufsangebot auch für den Süden der Stadt aufrechterhalten wollen. Das ist das Hauptargument. Es haben zudem Überlegungen eine Rolle gespielt, nicht weiteren Autoverkehr in die Innenstadt zu holen. So lange es kein gutes Verkehrskonzept für die Innenstadt gibt und dafür, wo die Wagen der Marktbeschicker abgestellt werden können, wollen wir auf jeden Fall am bestehenden Zustand nichts ändern.

Welche Ideen haben Sie für die Belebung der Innenstadt und insbesondere die Nutzung des Holzgrundplatzes?

Auf jeden Fall andere als der Stadtmarketingverein. Ich halte nichts von diesen Kommerzangeboten, wir müssen kulturelle Angebote in der Stadt machen und Aufenthaltsräume schaffen. Aber solange wir es nicht hinkriegen, den Durchfahrtsverkehr und die vielen Falschparker aus der Innenstadt zu verbannen, solange brauchen wir uns auch keine Gedanken über ein Konzept für die Belebung zu machen. Ich halte beispielsweise die Automeile für eine für die Innenstadt nicht passende Veranstaltung: Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir den Öffentlichen Personennahverkehr und den Fahrradverkehr stärken und nicht den Autoverkehr ins Zentrum holen.

Geht die Stadt nicht nachlässig damit um, was sie in der Innenstadt geschaffen hat und hätte es nicht von Beginn an eines Konzeptes bedurft, was man mit dem Platz anfängt?

Da stimme ich Ihnen zu. Vielleicht müssen wir sogar noch einmal über die Gestaltung der Plätze nachdenken. Ich habe jüngst englische Gäste zu Besuch gehabt, die sowohl für den Markt- als auch für den Holzgrundplatz bemängelten, dass das Grün und die Möblierung fehlen.

Beim Verkehr lagen die Fraktionen bisher meilenweit auseinander – von der Fußgängerzone, wie die SPD es propagiert, bis hin zu einer Straße, die durchgängig befahrbar sein soll.

Wir sind kompromissbereit. Dann fährt man halt nur ein Stückle in die Bahnhofstraße rein, zum Beispiel bis zur Weimar- oder Friedrichstraße. Wichtig ist uns, dass wir den Durchfahrtsverkehr aus der Bahnhofstraße kriegen. Wir sollten im Gemeinderat das Thema ohne Scheuklappen noch einmal angehen.

Ist Ihr Vorschlag in Sachen Verkehrsführung mehrheitsfähig?

Leicht wird es sicherlich nicht, den Kompromiss zu finden, aber wir sollten es versuchen. Wir müssen in der Verkehrspolitik insgesamt umdenken. Das gilt zum Beispiel auch fürs Thema Nordostring. Diese Pläne stammen aus dem vergangenen Jahrtausend. Das ist nichts, was wir aktuell verfolgen sollten.

Aber den Befürwortern des Nordostrings gelingt es, das Thema am Köcheln zu halten.

Ich hoffe, dass die Diskussionen um die Autoindustrie dazu beitragen, dass wir uns intensiver mit dem Thema Mobilität beschäftigen und dass es mit einem „Weiter so“ und mit einem Herumtricksen nicht getan ist. Wir müssen umdenken. Ich bin mir bewusst: Das ist mit unpopulären Entscheidungen verbunden und damit, gewohnte Bahnen zu verlassen. Das fällt schwer, und einer älter werdenden Bevölkerung ohnehin.

Bei der Verabschiedung des Flächennutzungsplanes wirkte Ihre Fraktionen von allen im Gemeinderat am zufriedensten. Was gefällt Ihnen an dem Plan?

Am besten gefällt es uns, dass wir die Fläche, die bebaut werden soll, gegenüber dem alten Flächennutzungsplan haben reduzieren können. Gut ist es auch, dass wir daran festhalten, zunächst die Baulücken zu schließen, bevor wir an den Rändern bauen. Und wir werten es als positiv, dass wir klare Grenzen gezogen haben, bis zu denen gebaut werden kann. Also insgesamt sind wir zufrieden.

Haben Sie Kröten schlucken müssen?

Jedes Gewerbegebiet, das wir ausweisen, ist in dem Sinne eine Kröte. Aber wir wissen natürlich auch, dass die Gewerbegebiete schon allein aus finanziellen Gründen notwendig sind. Wir müssen aber höllisch aufpassen, dass wir die Flächen nicht nur an Speditionen und Logistikbetriebe verkaufen. Wir sind auch Kompromisse eingegangen bei der Ausweisung von Bauland. Etwas weniger wäre uns letztlich lieber gewesen.

Kommen wir noch zum Thema der Sommerferien: Der dritte Betreiber des Restaurants im K hat Insolvenz anmelden müssen. Was läuft verkehrt von Seiten der Stadt?

Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung. Entweder wollen wir weiter den Restaurantbetrieb, dann wird die Stadt bei den Nebenkosten nachgeben müssen, oder wir verzichten aufs Restaurant. Wir haben es noch nicht in der Fraktion besprochen, und deshalb kann ich auch noch nicht sagen, zu welchem Weg wir tendieren.

Der Gemeinderat hat sich ja zu einer Sondersitzung getroffen. War die notwendig?

Insofern ja, als im Vorfeld nur die Fraktionsvorsitzenden eingebunden waren. Wenn die Stadträte etwas nur aus der Presse erfahren, dann ist das auch nicht der richtige Weg. Nun sind die Stadträte auf dem aktuellen Stand.

Die Oberbürgermeisterin hat die Fraktionsvorsitzenden frühzeitig eingebunden. Werden Sie damit nicht auch zu Handelnden und können Ihrer Aufgabe als Kontrollorgan der Stadtverwaltung nicht mehr nachkommen?

Handelnde im klassischen Sinne sind wir nicht, sondern wir sind informiert worden. Ich finde es verständlich, dass die Stadtverwaltung nicht Entscheidungen treffen will ohne Rückendeckung - gerade bei einem Thema, bei dem in den vergangenen Jahren einiges schief gelaufen ist. Sicherlich ist es richtig: Wir haben eine höhere Verantwortung, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu Handelnden werden und dass wir die Kontrolleure bleiben.

Der nächste Kanzler heißt Martin Schulz?

Schön wär’s.

Daraus höre ich ein wenig Skepsis.

Ich habe die Hoffnung, dass er noch aufholt. Aber jede Wette würde ich dafür nicht eingehen.

 

Fragen von Werner Waldner

Quelle: Kornwestheimer Zeitung, 22.08.2017

 

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